PRIORI

PRIORI, das Reisebüro für und in Madagaskar

.
Madagaskar, das PRIORI-Buch

Franz Stadelmann

.

Madagaskar: Symbiose zwischen Gestern und Heute

.

zurück zum Inhaltsverzeichnis

.

Vegetation und Böden

Madagaskar habe die Farbe, das Aussehen und die Konsistenz eines Ziegelsteins, sagte der Kolonialbeamte Emile-Félix Gautier um die Jahrhundertwende. Der Arzt und Botanist Philibert Commerson hingegen meinte 1771, nur ein paar Generationen vorher, Madagaskar sei des Naturalisten verheissene Land.

Beides sind sehr generalisierte Aussagen und stimmen nur bedingt. Die Flora und Fauna Madagaskars sind in vielen Bereichen einmalig und so variationsreich, dass auch heute noch längst nicht alle Arten 'entdeckt' und wissenschaftlich beschrieben sind. Doch die oft labilen Biotope sind gefährdet, insbesonders durch die Aktivitäten der Menschen. Die durch Brandrodung oder Buschfeuer (Weidebrand) freigelegten Flächen unterliegen schutzlos den Einflüssen von Wind und Wetter. Das tropische Klima zersetzt den Oberflächenboden, die starken Regen schwemmen sie aus, die Bodenfauna wird zerstört. Übrig bleibt unfruchtbarer, steinharter Laterit, der durch das oxydierte Eisen rot aussieht und bei Regenzeit seifig wird. Auf den lateritdurchsetzten Hügeln (tanety) gedeihen nur noch harte Gräser - wenn überhaupt. Das Regenwasser reisst tiefe Schrammen in die Hügelflanken, sodass die für das Hochland typischen Erosionsrinnen (lavaka) entstehen. Diese sich wie überdimensionale Krallenrisse in die Hügel einkerbenden lavaka bilden das letzte Stadium einer langen Kette an Erosion und Zerstörung. Sie brauchen hunderte von Jahren, bis sie sich stabilisieren und allenfalls wieder erholen.

Die ursprüngliche Natur litt in den vergangenen Jahrhunderten dort, wo sie sich für die Anbaubedürfnisse des Menschen eignete und für die Weide seiner Rinder. So wurden die fruchtbaren Vulkanböden von Itasy schon früh gerodet und bebaut. In den letzten Jahrzehnten jedoch nahm die Bevölkerung drastisch zu, sodass der Druck auf Land immer grösser wurde und wird, ebenso wie die Nachfrage nach Holz und Kohle. In allen Fällen leidet 'das Naturparadies Madagaskar.'

Bauern suchen fruchtbares Ackerland, Hirten brauchen ergiebige Weiden, Köhler wollen Holz. Naturschützer stehen dabei auf der schwächeren Seite des Machtkampfes. Unterstützt werden sie vom Staat nur verbal, wenn überhaupt.

Im Osten ist die Vegetation dank der reichlichen Regenfälle und des milden Klimas sehr üppig und variationsreich. Doch der Einfluss des Menschen hat sich bereits stark auf die Biotope ausgewirkt.

Die madagassische Sprache kennt zwei Wörter für Waldgebiete: ala für Primärwald und savoka für wiedergewachsenen Wald. Nur in einem schmalen Streifen entlang des Ostabhangs findet sich noch der dichte feuchte Tropenwald (ala), etwas mehr noch in der unzugänglichen Region zwischen Maroantsetra und Antalaha. Es wird geschätzt, dass in ganz Madagaskar 75% des Primärwaldes zerstört sind. 1985 waren nur noch 3,8 Mio. Hektaren ursprünglicher Primärwald übrig. Die heutigen Waldgebiete des Ostens sind dominiert von savoka mit seinen schnellwachsenden Bäumen, den Bambushainen, Lianen und Ravenala. Die früher bewaldeten, kleinen Hügel sind heute infolge von Brandrodung allenfalls mit Büschen bewachsen, zwischen denen sich die majestätischen Ravenala (Baum des Reisenden) erheben. Diese Entwicklung ist eine Folge der intensiven Brandrodung (tavy) für den Reisanbau, der inzwischen mangels Landreserven auch an steilen Hängen vorgenommen wird. Durch tavy gingen im Osten 11,2 Mio. Hektaren Wald verloren. Insbesonders das häufige Vorkommen der Ravenala ist Folge und Zeichen der Zerstörung des Waldes, ebenso wie die dichten Bambuswälder auf eine Degenerierung der Bodendecke hinweisen.

Trotzdem hat der Osten mit seiner wuchernden und üppigen Vegetation an Attraktivität kaum verloren: Waldgebiete wechseln sich mit Parklandschaften und Sumpfgebieten ab. Palmen wachsen entlang der Küste.

Gravierend hat sich die landwirtschaftliche Nutzung von Naturland auf dem Hochland ausgewirkt. Dort herrschen heute nackte Hügel und mit Reis bepflanzte Talgründe vor. Studien haben gezeigt, dass Madagaskar und so auch das Hochland weitgehend mit Wald bedeckt war, als die ersten Menschen vor tausend und mehr Jahren auf die Insel kamen. Es bleibt jedoch ungelöst, ob das Hochland vor dem Menschen durchgehend bewaldet war oder teilweise von einer Grassavanne mit Akazien bestanden war.

Doch der Mensch brachte Feuer mit. Die madagassischen Mythen sprechen von einem Urbarmachen des Bodens durch Feuer (afotroa) durch ihre Vorfahren. Nicht ausgeschlossen ist, dass auch eine vorangegangene Trockenheit die Feuer verbreitete. Mitte des 18. Jahrhunderts jedenfalls schritt der Forschungsreisende Mayeur noch im Wald auf seiner Etappe von Antananarivo nach Antsirabe, 100 Jahre später wurden die Merina als Ambaniandro verspottet, als Leute, die - mangels Baumschatten - unter der Himmelssonne leben. (Doch vielleicht liegt dem ein Hörfehler zugrunde, denn auf dem Hochland benannte man auch das alte Volk der Vazimba mit Antanandro (jene unter dem Himmel).

Waldgebiete sind auf dem Hochland nur noch in Überresten vorhanden. Meist ist die durch Buschfeuer degradierte Prärie mit harten Gräsern bedeckt (bozaka), Felder und Erde sind nackt und schattenlos den Regenfällen ausgeliefert. An wenigen Orten wurden zwar Aufforstungen mit Eukalyptus und Mimosen gemacht, doch ursprüngliche Wälder, meist zu Wäldchen geschrumpft, finden sich nur noch in Gebieten, die durch Traditionen geschützt sind wie Gräber und Heilige Hügel. In bevölkerungsarmen Gebieten wachsen schmale Galeriewälder entlang der Flüsse. An einigen Orten hat sich nach Jahrzehnten wieder ein kleiner Baumbestand in der ruhenden Nische einer alten lavaka gebildet.

Doch weite Zonen sind zu Regionen ohne Hoffnung geworden, nämlich dort, wo sich der Laterit im Laufe von Jahrhunderten tatsächlich zu Backsteinfeldern verhärtet hat. Diese Gebiete sind so gut wie tot und gleichen einer düsteren Mondlandschaft: nichts wächst mehr, ausser vereinzelten Gräsern, kaum ein Lebewesen hält sich dort mehr auf. Auf halbem Weg zwischen Antananarivo und Mahajanga findet sich eine derartige Landschaftsform, tampoketsa genannt, ebenso auf dem einsamen Plateau von Horombe.

Die meist nach Westen fliessenden Gewässer haben einen Teil der abgetragenen Hochlanderde in den flachen Überschwemmungsebenen und Mündungsgebieten abgelagert. So existiert im Westen eine grosse Anzahl an verschiedenen Böden, die sehr fruchtbare Gebiete darstellen. Die Nutzung der Böden für landwirtschaftliche Zwecke hat auch dort zu einer Reduzierung und Degradierung der ursprünglichen Flora und Fauna geführt.

Gewöhnlich (zu 80%) herrscht entlang der Westküste eine Savannenlandschaft mit hohen Gräsern vor, durchsetzt von Bäumen, die den Buschfeuern widerstehen, wie die Satrana-Palme oder der Baobab. Noch heute hat sich der ursprüngliche Trockenwald in einigen Gebieten des Westens halten können. Im Unterschied zum Regenwald des Ostens wachsen im Trockenwald Bäume, die ihre Blätter im regenlosen Winter verlieren. Eindrücklich zeigt dies der sogenannte ’Schweizer Wald’ im Nden von Morondava. (Der Name wurde in den letzten zwanzig Jahren üblich, weil in dieser Region die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit mit waldschützenden Projekten aktiv war.)

Im fast wasserlosen Süden leben die pflanzlichen und tierischen Überlebenskünstler. Der sandige Boden hat zu unzähligen Adaptionen geführt, ebenso wie die unzuverlässigen Regenfälle. Etliche Pflanzen haben sich der Wasserknappheit dermassen angepasst, dass sie nur vom Morgentau überleben können.

Schon 1927 wurden zum Schutz von Flora und Fauna Naturreservate (Réserves Naturelles Intégrales) geschaffen, eine Pioniertat der damaligen Kolonialbehörde, die dadurch etliche Biotope vor dem Eingriff der Menschen schützte. Viele Tiere und Pflanzen kommen auch in Madagaskar nur in sehr eingeschränkten Regionen vor.

Heute existieren zwei Nationalparks (Isalo und Montagne d'Ambre) von einer Fläche von rund 100’000 Hektaren, die für touristische Zwecke offen stehen. Dazu kommen 569’000 Hektaren Réserves Naturelles Intégrales und 376’000 Hektaren Réserves Spéciales. Diese Parks dürfen nur mit Sonderbewilligungen besucht und wirtschaftlich nicht genutzt werden. Damit stehen mit über einer Million Hektaren 1,8 % der Landesfläche unter Schutz. Doch die Restriktionen bestehen oft nur auf dem Papier, vor Ort ist kaum und in jedem Fall ungenügend Personal stationiert. Somit entgehen Aktivitäten wie Abholzung, Tierfang und tavy meist jeglicher Kontrolle.

In den letzten Jahren sind weitere Naturschutzgebiete entstanden, auch sie oft als Deklaration und nur auf Papier. Doch internationale Organisationen setzen viel Energie ein, diese politischen Absichtserklärungen umzusetzen und Naturparks zu schaffen.

. .

Der Ethnologe Franz Stadelmann kam 1988 als Entwicklungshelfer nach Madagaskar. 1994 gründete er das madagassische Reisebüro PRIORI in Antananarivo. PRIORI organisiert Reisen mit mehr Hintergrund und tieferen Einblicken in die Licht und Schatten dieser Insel im Indischen Ozean. 'Sanftes Reisen' soll den BesucherInnen als auch den Besuchten gegenseitiges Verständnis erwecken. PRIORI engagiert sich auch sehr im sozialen und kulturellen Leben Madagaskars. PRIORI steht für Ihre Reisepläne gern zur Verfügung - auch in deutscher Sprache.

.
Wir nehmen Ihre Kommentare und weiterführenden Texte zu obigem Thema gern auf. Tragen Sie sich bitte in unser Gästebuch ein.
.
.
dieses Kapitel drucken

zurück zum Inhaltsverzeichnis

Madagaskar, das PRIORI-Buch

Franz Stadelmann

copyright PRIORI 2009

priori@moov.mg

.
.

PRIORI Antananarivo

.
.

PRIORI Antananarivo