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PRIORI, das Reisebüro für und in Madagaskar

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Madagaskar, das PRIORI-Buch

Franz Stadelmann

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Madagaskar: Symbiose zwischen Gestern und Heute

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Geschichte bis 1800, erste Aussenkontakte

Die Geschichte der madagassischen Volksgruppen bis 1800 ist in vielen Details noch unklar. Dies trifft nicht nur auf Fragen der Herkunft und Einwanderung zu, sondern auch auf die Entwicklung und Ausbreitung der Völker innerhalb Madagaskars.

Fest steht, dass Madagaskar zu Beginn der christlichen Zeitrechnung nicht besiedelt war. Die ersten Einwanderer kamen wohl im Zeitraum um 500 n. Chr. Wichtige Siedlungsschwerpunkte fanden sich in einer ersten Zeit an der Ostküste und im Norden. Jedes der heute unterschiedenen 18 Völker Madagaskars hat seine eigene Geschichte, die allerdings oft nur bruchstückhaft rekonstruiert werden kann.

Generalisierend kann man aber folgendes Muster feststellen:

Der Mensch lebte eingebettet in einer Grossfamilie, dominiert von einem Patriarchen. Der Clan (foko) vereinigte die Familien mit dem gleichen Vorfahren, hatte sein Territorium, seinen Kult und wurde von einem Chef regiert, dem ältesten der ältesten Familie. Der Familienchef diktierte aufgrund seiner soziologischen Stellung und seiner politischen Macht die anfallenden Entscheide der Versammlung der Dörfler (fokonolona), die ja seine nahen und fernen Verwandten waren, mehr oder weniger auf.

Die Clans lebten relativ unabhängig voneinander, vereint nur durch gelegentliche Allianzen in rivalisierenden Konföderationen. In einigen Regionen bildeten sich überregionale Königreiche mit einer starken Hierarchisierung der Clans: Clans (oder Kasten) der Noblen, woraus die Könige hervorgingen und die Clans der Nichtadeligen, aber Freien. Die Sklaven, Kriegsgefangenen oder Verurteilten hatten ihren Clan verloren und konnten beliebig verkauft werden. Bei den Merina entwickelten sich sieben noble Kasten (andriana) und eine Vielzahl an nichtnoblen Clans (hova). Auch die Sklaven waren in verschiedene Klassen unterteilt. Es durfte nur innerhalb der gleich hohen Clans geheiratet werden.

In etlichen Fällen bildeten sich sakrale Königreiche, deren jeweiliger Herrscher (mpanjaka) als Halter der fanjakana (Befehlsgewalt) Taxen erheben und Zwangsarbeit verordnen durfte. In der Ausübung seiner unbeschränkten Macht stützte er sich auf die tompon-tany (die Herren der Erde, die Landbesitzer). Er war aber auch legimitiert und bevollmächtigt durch gottähnliche, heilige Züge (hasina), die ihn zum Gottkönig machten. Diese übernatürliche Allianz wurde in regelmässigen Abständen erneuert. In Imerina war dies das jährliche königliche Bad (fandroana), bei den Sakalava das Ritual des fitampoha (Waschen von Reliquien verstorbener Könige). Zudem war der Herrscher in Besitz von gottverbindenden Talismanen (den sampy der Merina-Könige oder den Reliquien der Sakalava). Er lebte in einem Palast (lapa), ein Haus etwas grösser als die anderen, in der rova gelegen, wo auch seine Frauen, Bediensteten und Sklaven lebten. Durch militärische Kraft und mit Heiratsallianzen dehnte er seinen Machtbereich aus, Kriege wurden ausgefochten, Bündnisse eingegangen, gebrochen, gewechselt.

Nach dem Tod des starken expansiven Königs brachen oft blutige Thronfolgestreitigkeiten aus, in deren Folge das Reich oftmals erlahmte und seinerseits von erstarkenden Nachbarn bedrängt wurde.

Schon ab 1500 kam es zu Kontakten zu europäischen Seefahrern, wobei folgende Interessen im Spiel waren: die Madagassen verlangten Gewehre und Schiesspulver, die Europäer suchten Nahrungsmittel und Sklaven. Beide Seiten waren bereit, die verlangten 'Produkte' zu liefern. Dies trifft auch auf die moslemischen Händler zu, die seit unzähligen Generationen im Westen und Norden als Zwischenhändler agierten.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erlangten die Merina auf dem Hochplateau dank eines charismatischen Königs eine Einigung, deren straffere Organisation und Gesetzgebung eine bessere Sicherheit und eine höhere Reisproduktion ermöglichte, gefördert durch ein besseres Management von Wasserzufuhr und Landaufteilung. Die Erstarkung und die darauffolgende Expansion der Merina geht auch auf den Handel mit den Europäern zurück: starke innere Organisation, verbunden mit dem Tauschhandel - Sklaven gegen Waffen - liess die Merina zum staatsbildenden Volk werden.

Genauso gut hätten die Sakalava oder die Betsileo als einigende Kraft in weiten Regionen der Insel auftreten können. Doch mit dem Jahr 1800 waren die Würfel gefallen: Imerina begann zu dominieren. Trotzdem blieb Madagaskar ein vielschichtiges Mosaik aus verschiedenen Königtümern, die meist in Streit und Konkurrenz zu den Nachbarn lagen.

1800 ist eine Marke in der Geschichte Madagaskars. Von dieser Zeit an begannen die erstarkten Merina vom Hochland aus die Insel zu erobern, um dem Binnenland einen Anschluss an den Aussenhandel zu ermöglichen und den lukrativen Übersee-Handel unter Kontrolle zu bringen. Trotz Ermordung von Merina-Thronfolgern und Königen ergab sich eine Kontinuität, die das ganze 19. Jahrhundert anhielt und erst mit der Invasion der Franzosen gebrochen wurde.

Die Franzosen erbten das Reich der Merina, jedoch nicht Madagaskar.

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Der Ethnologe Franz Stadelmann kam 1988 als Entwicklungshelfer nach Madagaskar. 1994 gründete er das madagassische Reisebüro PRIORI in Antananarivo. PRIORI organisiert Reisen mit mehr Hintergrund und tieferen Einblicken in die Licht und Schatten dieser Insel im Indischen Ozean. 'Sanftes Reisen' soll den BesucherInnen als auch den Besuchten gegenseitiges Verständnis erwecken. PRIORI engagiert sich auch sehr im sozialen und kulturellen Leben Madagaskars. PRIORI steht für Ihre Reisepläne gern zur Verfügung - auch in deutscher Sprache.

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Franz Stadelmann

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