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PRIORI, das Reisebüro für und in Madagaskar

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Madagaskar, das PRIORI-Buch

Franz Stadelmann

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Madagaskar: Symbiose zwischen Gestern und Heute

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Situation in Madagaskar um 1800

Um 1800 war die grosse Insel Madagaskar keineswegs geeint. Die zahlreichen Völker lebten relativ isoliert voneinander und widmeten sich ihrem von Tradition und Ahnen geleiteten Leben. Konflikte mit Nachbargruppen waren zwar häufig und führten auch zu Kriegen und Unterwerfungen, zu Allianzen und Verbrüderungen. Die Bündnisse ebenso wie die Eroberungen zerfielen aber sehr schnell wieder, letztlich beschränkte sich jedes Volk auf sich selber. Wohl gab es tributpflichtige Völker, aber keine Ethnie übte eine nachhaltige militärisch-politische Dominanz über eine andere Volksgruppe aus. Expansion - wenn überhaupt - erfolgte aufgrund unstabiler Verhältnisse oder Schwächen der Nachbarn und nicht aufgrund gezielter Ausweitung des eigenen Territoriums.

Die Einflüsse von aussen machten sich in unterschiedlichem Mass bemerkbar. Während die Küstenvölker öfters - und dies teilweise schon seit Generationen - in Handelskontakt mit europäischen und arabischen Seefahrern standen, blieb dieser Einfluss im isolierten Binnenland sehr beschränkt. Und doch machte er sich bemerkbar: insbesonders Gewehre und Pulver waren begehrte Objekte geworden. Zudem gelangten immer mehr Europäer auf das Hochland und verdingten sich als Militärinstruktoren. Doch keine Macht nutzte dieses Potential - ausser Imerina. Dieses Reich erstreckte sich um 1800 in einem ovalem Kreis um die Stadt Antananarivo im zentralen Hochland und träumte von einem Meeresanschluss, um der Binnensituation zu entgehen und einen direkten Zugang zu den ersehnten Gütern (besonders Waffen) zu erhalten. Ausgehend von einer inneren Reorganisation und basierend auf der Produktion von Reis hatte Andrianampoinimerina dieses Ziel mit aller Energie vorangetrieben, blieb aber ein traditioneller, wenn auch starker Herrscher. Erst sein Nachfolger Radama I sollte durch grundlegende Reformen und einer effizienten Neustrukturierung der Armee zum erhofften Erfolg gelangen.

Die Betsileo waren um 1800 aufgesplittet in mehrere Reiche, die kaum über eine grössere Ausstrahlung verfügten. Das gleiche galt für die Sakalava. Sie verfügten zwar im Menabe und in Boina über grössere Königreiche und über weitreichende Handelsmöglichkeiten. Doch eine politisch einigende Kraft ging von ihnen nicht aus. Sie betrachteten das Hinterland einzig als Lieferant für Sklaven und zogen immer wieder zu Razzien aufs Hochland hinauf. Ebenso begnügten sich die etlichen Völker der Südostküste mit ihrem Schicksal. Die Einheit der Betsimisaraka war wieder in einen Mikrokosmos zerfallen: unzählige Lokalherrscher dominierten über jeweils kleine Territorien.

An den Küsten machten sich die Engländer im Zuge der napoleonischen Kriege vermehrt bemerkbar. Die Ostküste gelangte gar unter ihre direkte Kontrolle, die jedoch weitgehend fiktiv blieb. Die Insel Mauritius kam allerdings nachhaltig in englischen Besitz. Von dort aus wurden die Ereignisse auf Madagaskar genau verfolgt: einerseits um den notwendigen Nachschub (Nahrungsmittel und Sklaven) zu garantieren, andererseits aber auch in Kolonialkonkurrenz zu Frankreich, dessen Schiffe nach wie vor um die Insel kreisten, und das noch immer von einer Besitznahme träumte. Die Engländer erkannten, dass Imerina als expansive Kraft wohl die sicherste Karte war und am meisten Chancen bot, ein madagassisches Gegengewicht zu Frankreich zu bilden. So wurde Imerina fortan gezielt und tatkräftig unterstützt. Die Franzosen verfügten nicht über diese Weitsicht. Sie nahmen aber jede Chance einer Gebietsbesetzung wahr. Während also die Engländer aus der Ferne agierten, tummelten sich die Franzosen eher an der Front. Frühere Seemächte wie Portugal und Holland zeigten sich nicht mehr an der Insel interessiert.

Ausser Imerina suchte keine madagassische Volksgruppe, sich gezielt zu vergrössern. Und nur Imerina hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts die innere Reife und den politischen Willen erlangt, um dieses Vorhaben auszuführen. Dabei gelangten erstmals Völker unter die Zentralherrschaft einer ausserregionalen Macht. Die Merina trafen fast überall auf Widerstand, doch ihre tausende von Kriegern bestehende Armee rollte jeglichen Widerstand beiseite. Die Besiegten unterwarfen sich oder reagierten mit Verrat, Flucht oder geschicktem Taktieren. Oder aber sie suchten Hilfe bei Aussenmächten wie Frankreich und Zansibar. Die kriegerische Unterwerfung geschah oft erstaunlich mühelos - doch die bleibende Inbesitznahme der eroberten Gebiete machte Mühe und liess sich nur durch Armeeposten verwirklichen. Die Merina wurden zur Okkupationsmacht im Land.

Vor 1800 hatte die Kirchen noch keine entscheidende Rolle gespielt. Die Missionisierungsbemühungen waren erfolglos geblieben. Versucht hatten es nur die Katholiken. Doch mit der Erstarkung der Merina und ihrer Unterstützung durch die Engländer kamen protestantisch-calvinistische Missionare ins Land: als Religionslehrer und als technische Entwicklungshelfer. Merinaland wurde protestantisch, machte einen technologischen Sprung und begab sich auf den Weg, ein den damaligen europäischen Republiken durchaus vergleichbares Staatsgebilde zu werden.

Frankreich blieb letztlich Sieger: die Kräfte der Merina, unterstützt durch die Engländer, schufen ein Reich, das die Franzosen gegen Ende des 19. Jahrhunderts als erntereif betrachteten.

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Der Ethnologe Franz Stadelmann kam 1988 als Entwicklungshelfer nach Madagaskar. 1994 gründete er das madagassische Reisebüro PRIORI in Antananarivo. PRIORI organisiert Reisen mit mehr Hintergrund und tieferen Einblicken in die Licht und Schatten dieser Insel im Indischen Ozean. 'Sanftes Reisen' soll den BesucherInnen als auch den Besuchten gegenseitiges Verständnis erwecken. PRIORI engagiert sich auch sehr im sozialen und kulturellen Leben Madagaskars. PRIORI steht für Ihre Reisepläne gern zur Verfügung - auch in deutscher Sprache.

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