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Soziales Leben
Fihavanana
ist eines der wichtigsten Schlüsselworte der madagassischen
Gesellschaft. Es bedeutet: Gemeinschaft, Harmonie, Zusammengehörigkeit.
Dieses Prinzip muss als oberste Regel des Zusammenseins immer
gewahrt bleiben.
Das
beinhaltet auch - mit westlichen Augen gesehen - ein Ausnützen
durch andere. Wer durch eine Arbeitsstelle, durch Heirat oder
sonst wie zu Geld und Gut kommt, muss unweigerlich seinen Erfolg
und Besitz mit den Familienangehörigen teilen. Wer in einer
Position tätig ist und Einflussmöglichkeiten hat, muss
unweigerlich Familienangehörigen und Freunden zu Arbeit,
Stipendien oder sonstigen Vorteilen verhelfen. Wer Land hat,
wird auch seine Familienmitglieder beschäftigen müssen und
den Ertrag teilen müssen. Oder er wird dem Verwandten Land zur
Bearbeitung überlassen müssen.
Ein
Mensch, der sich in einer unbekannten Situation nicht
zurechtfindet, der bürokratische Hindernisse nicht selber lösen
kann, wird immer nach einem Familienmitglied Umschau halten,
oder auch nach einem Vertreter der gleichen sozio-geografischen
Herkunft, nach der gleichen tanindrazana. Und dieser ist
verpflichtet, dem Familienmitglied zu helfen.
Das
heisst, dass Unternehmen und Ministerien von einzelnen Familien
oder Regionalgruppen richtiggehend unterwandert sind. Beispiele
lassen sich ohne Mühe finden, sie beginnen bei Air Madagascar
und enden nicht im Gesundheitsministerium.
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