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PRIORI, das Reisebüro für und in Madagaskar

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Madagaskar, das PRIORI-Buch

Franz Stadelmann

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Madagaskar: Symbiose zwischen Gestern und Heute

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Schulen und Universitäten

Der Schulbesuch ist obligatorisch für Jungen und Mädchen von 6 bis 13 Jahren, doch 1988 besuchten nur 66% der Kinder zwischen sechs und elf Jahren eine Schule, wobei die Einschulungsquote im Landesdurchschnitt im ersten Schuljahr 70% betrug. Denn viele Schulen sind geschlossen, weil der Lehrer fehlt oder die Gebäude zerstört sind. Oder auch, weil die Region durch die Aktivitäten der dahalo (Viehdiebe) unsicher ist.

Die Grundschule dauert 5 Jahre, gefolgt von einer Sekundarschule von 4 Jahren und einem weiteren Zyklus (Gymnasium) von 4 Jahren bis zum Abitur (baccalauréat).

Ein Grundschullehrer unterrichtet im Schnitt 40 Schüler. Die Klasse kann aber auch bis zu 60 Schüler in der Sekundarklasse in der Region um den Lac Alaotra umfassen oder 80 bis 100 in der Provinz Fianarantsoa. Die 37’350 Grundschullehrer (1984/85) reichten jedoch für die 1,7 Mio. Grundschüler (1985) nicht aus, ihnen wurden die Abiturienten vom Service National zur Seite gestellt, die während eines Jahres einen paramilitärischen Dienst absolvieren mussten. (Dieser obligatorische Dienst wurde 1992 gestrichen.)

1975 gab es 5434 Primarschulen im ganzen Land, 1988 waren es 13’354 Primarschulen, das heisst pro Fokontany eine Schule.

Das Schulhaus muss von der Gemeinde gebaut und unterhalten werden. In den Schulen herrscht ein chronischer Mangel an Schulbüchern, Heften, Wandtafeln, Kreide. Das Staatsbudget für Unterricht hat seit 1980 jedes Jahr um 1% abgenommen. Der Analphabetismus hat in den letzten Jahren besonders auf dem Land wieder drastisch zugenommen, obwohl - theoretisch - nach Regierungsangaben 95% der Kinder eingeschult sind. Laut UNESCO sind 20% der Erwachsenen Analphabeten.

Die Eltern können es sich nicht mehr leisten, ihre Kinder zur Schule zu schicken, denn für Bücher und Hefte, Schreibstifte und Schuluniform müssen sie selber aufkommen. Pro Jahr kostet der Schulbesuch eines Kindes den Wert zweier Schafe oder 60 Kilo Reis (30’000 FMG/Stand 1991).

Die unterbezahlten Lehrer widmen sich Parallelaktivitäten, sind abwesend und generell schlecht ausgebildet.

Die Privatschulen, insbesonders jene der Kirchen, nehmen einen wichtigen Stellenwert im Schulwesen ein, nicht so sehr im Grundschulwesen, aber umso mehr in den Sekundarschulen und vor allem in den Gymnasien. Mehr als die Hälfte (69%: 1984/85) der total 410’000 (1985) Gymnasiasten besucht eine Privatschule.

Madagaskar weist eine gewaltige Zahl an Studenten auf - mehr als je die Hoffnung haben können, ihr Studienfach später als Beruf auszuüben. Die Zahl der Studienbeginner nahm von 1977 bis 1984 um jährlich 19% zu.

Um die 40’000 (1987) Studenten folgen Kurse an den Universitäten, das heisst 5% der Altersgruppe von 20 bis 24 Jahren. Viele scheitern allerdings schon bei der ersten Examensrunde. Diese Aussteiger schaffen es in vielen Fällen nicht mehr, eine andere Existenz aufzubauen, viele suchen weiterhin ein Stipendium und eine Wohnmöglichkeit im Campus zu behalten.

1986 wollte die Regierung die Studentenzahl um 20% zu mindern, indem sie verbot, akademische Jahre zu wiederholen. Mehrmonatige Studentenproteste und Streiks liessen diese Reform um ein Jahr hinausschieben und schliesslich vergessen.

Die Mitte der 1970er Jahren eingeführte malgaschisation des Unterrichts führte dazu, dass die Studenten der 80er Jahre kaum französisch sprachen und somit mit französischen Fachbüchern kaum arbeiten konnten. Diese in den 90er Jahren auf den Arbeitsmarkt erscheinenden Jungfachleute waren doppelt benachteiligt: erstens war ihre Ausbildung ungenügend und zweitens schafften sie es kaum, bei den internationalen Organisationen mit ihren attraktiven Löhnen eine Anstellung zu erhalten.

Seit 1985 wurde ein Teil des Unterrichts wieder vermehrt auf die französische Sprache umgestellt und seit 1993 gilt als Unterrichtssprache auch in den Primarschulen wieder französisch.

Die seit 1961 bestehende Universität von Antananarivo beherbergt 77,5% aller 40’000 Studenten und lehrt praktisch alle Fächer. Durch die Dezentralisierung von 1977 entstanden sechs Regionaluniversitäten (CUR: Centres Universitaires Régionaux) mit jeweiligen Spezialisierungen. Management und Ökonomie in der CUR Tamatave; Zahnarzt, Medizin und Naturwissenschaft in der CUR Mahajanga; Physik, Chemie, Geschichte und Geographie in der CUR Tulear; Technik in der CUR Diégo-Suarez; Mathematik, Informatik und Recht in der CUR Fianarantsoa.

Diese Dezentralisierung sollte aber auch die Studentenmasse von der Hauptstadt weghalten, doch auch in den Provinzstädten sind die Universitäten und die Campus weit von der Stadt weg, oft ohne regelmässige Transportverbindungen. Die Studenten leben unter bitteren Bedingungen, oft in krasser materieller Not in überbesetzten Studienzimmern. Die Studienbedingungen sind äusserst dürftig, die Bibliotheken nicht ausreichend, die Lehrer korrupt und oft abwesend. Insbesonders in Antananarivo birgt die Universität ein grosses Konfliktpotential, das von der Regierung trotz mehrerer Versuche nicht gelöst werden konnte. Die cité universitaire von Ankatso ist ein Intellektuellenslum, besetzt von aller Art Leuten, jedoch kaum von Studenten: Ankatso hat sich zu einem eigenartigen Mikrokosmos an Aktivitäten und Leben entwickelt.

An den Universitäten aber auch schon an den Schulen existiert ein zunehmendes Drogenproblem. Haschisch (rongony) ist in Mode und hilft wohl auch etwas über die bittere Studentenwirklichkeit hinweg. (rongony war schon den Alten bekannt, so den Betsileo, wo er auch geraucht wurde.)

Jene, die trotz allem einen Abschluss zustande bringen, finden sich nur mit sehr viel Glück und meist mit Beziehungen in einer Arbeit. Der Rest lebt als intellektuelle Arbeitslose von irgendwelchen Gelegenheitsarbeiten.

Der Andrang auf Auslandsstipendien ist daher gross. Die Länder des Ostblocks offerierten ab Ende der 1970er Jahre Studienplätze in grossem Ausmass. Doch das Prestige der westlichen Universitäten ist weit höher. Jeder möchte sich einen Studienplatz in Europa, wenn möglich in Frankreich ergattern. Oft aber werden die Stipendien nicht nach Qualifikationen verteilt sondern nach Familienbanden.

Es gibt etliche Fachschulen, beispielsweise für Sozialarbeiter, für Hotelfachleute, für technische Berufe, für Forstleute.

Die grosse Masse der heutigen Schulkinder schafft es mit Glück, knapp lesen und schreiben zu lernen. Die Landkinder bleiben zumeist auf den Feldern ihrer Eltern oder stranden als arbeitslose Proletarier in den Städten. Die städtischen Kinder lernen schon früh, in der Wirklichkeit der Strasse zu überleben. Und doch versuchen die Eltern alles, um ihren Kindern eine ordentliche Schulbildung zu ermöglichen. Und in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft für ihre Kinder ist ihnen buchstäblich kein Opfer zu hoch.

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Der Ethnologe Franz Stadelmann kam 1988 als Entwicklungshelfer nach Madagaskar. 1994 gründete er das madagassische Reisebüro PRIORI in Antananarivo. PRIORI organisiert Reisen mit mehr Hintergrund und tieferen Einblicken in die Licht und Schatten dieser Insel im Indischen Ozean. 'Sanftes Reisen' soll den BesucherInnen als auch den Besuchten gegenseitiges Verständnis erwecken. PRIORI engagiert sich auch sehr im sozialen und kulturellen Leben Madagaskars. PRIORI steht für Ihre Reisepläne gern zur Verfügung - auch in deutscher Sprache.

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Franz Stadelmann

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