Naturschutz
Schon
die ersten Besucher Madagaskars waren von der Vielfältigkeit
der Flora und Fauna beeindruckt, obwohl die ursprüngliche
Walddecke schon vor fünfhundert Jahren in weiten Gebieten
verschwunden war.
Die
zunehmende Bevölkerungsdichte in Zentralimerina übte einen
immer stärkeren Druck auf das bislang unberührte Naturland
aus.
Zur
Zeit von Andrianampoinimerina (zu Beginn des 19. Jahrhunderts)
war es formell verboten, Wälder anzuzünden. Der grosse König
sah im Wald allerdings weniger eine erhaltenswerte
Naturlandschaft, als vielmehr einen sicheren Verbündeten
(General hazo) gegen eine Invasion von fremden Mächten.
Brennholz
und Holzkohle wurden im 19. Jahrhundert wiederholt zum gesuchten
Artikel in der Hauptstadt des Merinareiches. Der Artikel 99 der
305 Artikel von 1881 deklarierte die Wälder und die freien
Flächen als Staatsbesitz, die weder verkauft noch vermietet
werden durften. Zudem wurde im gleichen code festgeschrieben,
dass jeder, der Wald abholzte, um Reis oder Maniok zu pflanzen,
mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden sollte.
Im
Verlauf des 20. Jahrhunderts gelangten die Waldgebiete unter
sehr starken Druck: Abholzungen, Brandrodungsfeldbau (tavy) und
Holzausbeute führten zu einer drastischen Reduktion des
Bestandes. Aber auch die Weidebrände vernichteten die
Bodenfauna zum Preis einer kurzen Grasflur.
Als
Gegenmassnahme verbot die Kolonialadministration den tavy und
schuf 1927 in Madagaskar das erste Naturreservat Afrikas.
Trotzdem waren weniger als ein Drittel der Oberfläche
Madagaskars vor 1960 mit Wald bedeckt, während die
Abholzung um 150’000 ha pro Jahr betrug.
Als
die Kolonialmacht 1960 abzog, verstanden die Bauern dies als
Freipass für neue Freiheiten und übten die Praktik des tavy
wieder aus. Die jetzigen Vorschriften und Gesetze sind zwar noch
strenger als jene der Kolonialzeit, so wurden 1987 wichtige
Erlasse zum Schutz gegen Holzeinschlag und tavy erlassen. Doch
die Durchsetzung dieser Vorschriften mangelt aus vielen Gründen:
unmotiviertes und ungenügendes Personal, Landknappheit und Bevölkerungsdichte,
Implikation von Beamten in illegale Aktivitäten. Wenn die
Waldzerstörung im gleichen Mass weitergeht, wird im Jahre
2020 kein tropischer Wald mehr übrig bleiben.
Die
verschiedenen Regierungen gaben sich zwar Mühe, die Flora und
Fauna zu schützen und demonstrierten das auch gegen aussen. So
wurde die erste internationale Umweltschutzkonferenz 1970 in
Madagaskar abgehalten. Doch der Naturhaushalt bleibt nachhaltig
gestört und ist nach wie vor stark gefährdet. Die Bevölkerung,
selber unter Druck, bringt kaum Verständnis für den Schutz
von Flora und Fauna auf. Der Naturschutz bleibt im wesentlichen
ein von aussen aufgezwungener Fremdkörper - und hat
dementsprechend Erfolg.
Die
unter grünem Mantel agierende Weltbank liess in Madagaskar seit
1988 einen 'plan d'action environnemental' (PAE) erarbeiten,
dieser im Februar 1990 von der Regierung - auf Druck der
Weltbank - akzeptierte PAE mit einer Gültigkeitsdauer von 1990
- 2005 ist der erste seiner Art in Afrika. Madagaskar hatte
schon 1985 eine 'commission nationale de la conservation pour le
développement' eingerichtet und eine Konferenz zur Fomulierung
einer nationalen Strategie zur Konservierung der natürlichen
Ressourcen einberufen. Das Management des PAE wird von einer
Cellule vorgenommen (CAPAE), die dem Planungsministerium
unterstellt ist, ebenso wurde 1990 ein 'office national de
l'environnement' (ONE) geschaffen. Insbesonders die Aufforstung
ist ein spezielles Anliegen der PAE. 1990 wurde eine
madagassische Umweltcharta gar in die Gesetzestexte aufgenommen.
Trotzdem
treibt die Insel einem ökologischen Desaster entgegen. Die
Weltbank schätzt die Kosten der Zerstörung auf 180 bis
300 Mio. US-$ pro Jahr. Die Bemühungen von WWF, CONSERVATION
INTERNATIONAL, USAID und sogar der Weltbank erleben immer wieder
Rückschläge. Letztlich ist auch in diesem Bereich gültig,
was fast im ganzen madagassischen Umfeld Gültigkeit hat: die
legalen Rahmen existieren zwar, werden aber nicht durchgesetzt
und können ohne viel Mühe umgangen werden.
Die
tsingy (Karstspitzen) von Bemaraha wurden von der UNESCO als
Welt-Kulturerbe deklariert und landesweit bestehen um die 40
Naturschutzgebiete mit unterschiedlichem Status, die theoretisch
fast 2 % der Landesfläche abdecken. Doch es gilt allerdings
nicht, umzäunte 'zoologische Gärten' abzustecken und
von den Einflüssen der benachbarten Menschen abzuschirmen. Die
Herausforderung besteht darin, die Bedürfnisse der Menschen so
in jene der Natur einzubetten, dass sowohl die Menschen ein
Auskommen finden, als auch irreparable Naturschäden
verhindert werden. Dabei kann es in den seltensten Fällen
um den Einzelschutz von gefährdeten Exemplaren gehen,
sondern vielmehr um den Schutz des ganzen Biotops, in dem dieser
Vertreter lebt. Das Ökosystem als Einheit muss erhalten
bleiben, um einen langfristigen Schutz wirksam für Flora und
Fauna zu machen.
Aufklärung
ist dabei ein erster wichtiger Schritt, dann aber auch eine
umwelterträgliche Bewirtschaftung der Schutzzonen und zudem
- als wohl wichtigsten Faktor - eine wirtschaftliche
Besserstellung der Bevölkerung. Dass dies nicht ohne eine
effiziente und aktive Mithilfe der offiziellen Stellen geschehen
kann, versteht sich.
Madagaskar
ist der Schauplatz einer der grössten ökologischen
Katastrophen der Menschheit. Die Zeit drängt, denn
Madagaskar befindet sich bereits in der Gefahrenzone, tatsächlich
ein roter Backstein zu werden.
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